„Sagen Sie ruhig Du.“ – „Äh… wie jetzt?“
Kaum ein anderes Thema sorgt im deutschen Berufsalltag für so viel Unsicherheit, Missverständnisse und gehemmte Gespräche wie die Frage: „Du oder Sie?“
In unserer Folge 25 vom Adina & Arne Videopodcast sprechen wir Klartext – über peinliche Momente, Machtverhältnisse, unausgesprochene Regeln und warum sich manche immer noch am „Sie“ festklammern wie am Faxgerät. Hier kommt die Essenz – als Blogpost für alle, die Kommunikation nicht nur schön, sondern wirksam machen wollen.
1. Die Anrede als Beziehungstest
Stell dir vor: Du lernst jemanden neu kennen – im Job, auf einem Event, vielleicht auch beim Kunden. Es geht nicht um Fachlichkeit. Nicht um Kompetenz. Sondern um das erste Wort. Und zack, da ist sie: die Anredefrage.
Du oder Sie?
Diese zwei Buchstaben entscheiden über Nähe oder Distanz. Über Augenhöhe oder Hierarchie. Über Sympathie oder Skepsis.
Was absurd klingt, hat Alltagssprengkraft. Denn wer falsch liegt, killt im Zweifel das eigene Image – Anrede = Imagekiller eben.
2. Deutschland, du hast ein Anredeproblem
Wir Deutschen lieben Regeln. Ordnung. Etikette. Das „Sie“ ist unser verbaler Schutzschild, unser Distanzriegel, unser diplomatischer Türsteher.
In anderen Ländern? No big deal. In Skandinavien oder den Niederlanden duzt man sich von Tag eins. In den USA existiert das „Sie“ sprachlich nicht mal. Und hier?
Hier wird ein „Du“ erstmal kritisch beäugt wie ein zu frühes „Ich liebe dich“ beim ersten Date.
Warum eigentlich?
Weil sich über Jahrzehnte eingebrannt hat: Wer siezt, wahrt Respekt. Wer duzt, wird schnell kumpelig, vielleicht sogar unprofessionell.
Das mag mal gestimmt haben. Heute aber? Ist es oft nur ein unnötiger Bremsklotz im Miteinander.
3. Zwischen Nähe und Macht
Das Spannende: Es geht beim Duzen oder Siezen nicht nur um Sprache – sondern um Macht.
Wer das „Du“ anbietet, setzt den Rahmen. Wer beim „Sie“ bleibt, hält Distanz. Wer die Anrede wechselt, übernimmt (bewusst oder unbewusst) Führung.
Gerade im Job wird das schnell zur Frage von Status und Kontrolle.
Wer darf wen duzen? Wer muss sich das „Du“ erst verdienen?
Noch krasser wird’s, wenn jemand aktiv ein „Sie“ fordert – obwohl alle anderen längst beim „Du“ sind. Das wirkt nicht souverän. Sondern unsicher. Oder überheblich.
Fazit: Wer sich an Anreden klammert, klammert sich oft auch an alte Strukturen.
4. Der Mittelweg ist keine Lösung
Und jetzt kommt der Klassiker: das weichgespülte Zwischending.
„Wir sagen einfach den Vornamen, aber bleiben beim Sie.“
„Duzen uns, aber reden trotzdem wie beim Bewerbungsgespräch.“
Sorry – das bringt nichts. Halbherzigkeit ist keine Kommunikation.
Klarheit ist. Also: Entscheiden, kommunizieren, durchziehen.
Und ja – auch mal aushalten, dass es kurz awkward wird.
5. So geht’s besser: Tipps aus der Praxis
Wir bei Schwarzwald Anker haben über die Jahre eine klare Haltung entwickelt. Und die ist simpel:
👉 Regel 1:
Du ist Standard – wenn’s passt.
Wenn wir mit Menschen auf Augenhöhe arbeiten, sagen wir Du. Von Anfang an. Ohne Show. Ohne Witzchen à la „Darf ich Du sagen oder willst du mich gleich adoptieren?“.
👉 Regel 2:
Wertschätzung geht auch mit Du.
Das „Sie“ ist kein Garant für Respekt. Und das „Du“ kein Zeichen von Kumpanei. Entscheidend ist, wie man miteinander spricht – nicht mit welchem Pronomen.
👉 Regel 3:
Ansprechen, nicht annehmen.
Wenn’s unklar ist: fragen. Kurz, direkt, freundlich. Niemand hat was gegen ein „Wie machen wir’s? Du oder Sie?“.
👉 Regel 4:
Kultur schlägt Konvention.
In Unternehmen, die wirklich eine gute Kultur haben, ist die Anrede längst zweitrangig. Da zählt Haltung. Teamspirit. Vertrauen. Nicht das Etikett.
6. Und was ist mit Kunden?
Klassikerfrage. Und berechtigt.
Natürlich duzen wir nicht jeden Kunden sofort. Gerade in der öffentlichen Verwaltung, bei Behörden oder Banken hat das „Sie“ noch seinen Platz – zumindest am Anfang. Aber:
Ein „Sie“ schützt nicht vor schlechten Beziehungen.
Deshalb: Klar starten. Aber dann beobachten, spüren, situativ anpassen. Wer sich sympathisch ist, wechselt oft ganz natürlich ins „Du“ – irgendwann. Und das ist okay.
7. Der wahre Gamechanger: Haltung
Am Ende ist das „Du oder Sie“-Thema nur ein Symptom. Für etwas Tieferes. Für die Frage:
Wie wollen wir miteinander umgehen?
Wollen wir Nähe zulassen? Uns als Menschen begegnen – oder nur als Rollen?
Wollen wir echte Teams – oder Abteilungen mit Distanz?
Wer mitreden will, braucht Mut zur Klarheit. Und ein bisschen Humor hilft auch.
Fazit: Sprache schafft Realität
Die Entscheidung zwischen „Du“ und „Sie“ ist keine Kleinigkeit. Sie prägt die Kommunikation, das Miteinander, das Klima.
Wenn du also das nächste Mal überlegst, wie du jemanden ansprechen sollst:
Frag dich nicht nur was klingt richtig, sondern was fühlt sich ehrlich an.